Ein kleiner Prolog
Um mich als Neuling auf dem Gebiet des Kartenspiels grundlegend kundig zu machen, kam ich auf eine weit zurückreichende Vorgeschichte. Dabei stellte sich wieder einmal heraus, dass selbst auf diesem Gebiet das "Reich der Mitte" dem sogenannten „Abendland“ um mehrere Nasenlängen voraus ist: So ist erwiesen, dass in China schon um das 7. Jahrhundert das Spiel mit Karten bekannt war und es erst durch die späteren Handelsbeziehungen europäischer Kaufleute in die westliche Welt importiert wurde – wo die Begeisterung dafür bald weite Bevölkerungsschichten erfasste.Zur Zeit der Frührenaissance, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, entstanden schließlich im nördlichen Italien die Urformen des "Tarock" (aus abgewandelten französischen Kartenbildern, ähnlich dem "Tarot"). Die Darstellungen entsprachen der damaligen Gesellschaftsordnung: absteigend von den Königen über die Damen zu den Reitern und Buben; und die vier Farben spiegelten die Stände wider. – Doch über alle Zeiten reflektieren die Kartenbilder geschichtliche, politische, militärische sowie kulturelle Motive – oft in satirischer Manier.
Tarock gehört somit zu den ältesten tradierten Kartenspielen der Welt, das im 18. und 19. Jahrhundert im Großteil Europas mit größter Leidenschaft gespielt wurde – so etwa auch von Johann Wolfgang von Goethe und von Wolfgang Amadeus Mozart.
Als heutige Hochburgen des Spiels in seinen zahlreichen Variationen gelten Frankreich, Italien, die Schweiz, Deutschland, Polen und sämtliche Nachfolgestaaten der Donaumonarchie.
– Dazu ist zu bemerken, dass um 1900 begüterte Untertanen des Kaisers sogar auf Bahnfahrten ihrer Leidenschaft frönen konnten: Für noble Herrschaften wurden in Waggons Spielabteile eingerichtet und manchen Zügen sogar eigene Tarock-Salonwagen angeschlossen. –
Und damit komme ich auf die Schriftsteller Fritz von Herzmanovsky-Orlando und Friedrich Torberg, die sich danach sehnten ihr Dasein in einer „Tarockei“ oder einem „Tarockanien“ zu verbringen – einer Art Schlaraffenland für alle Liebhaber/innen des Tarock. – Ja, und Peter Handke bezeichnet in seinem Roman «Der Chinese des Schmerzes» Tarock als „das schönste Spiel“.
Österreichs Lieblingskartenspiel
Tarock ist nach wie vor das Lieblingskartenspiel der Österreicher/innen – an die derzeit 100.000 tun es – hauptsächlich in Wien, Niederösterreich und in Oberösterreich.Bis ein/e Anfänger/in lediglich die Grundregeln beherrscht, dauert es mindestens 20 Stunden. Manche gewinnen auch nach Jahren nicht die richtige Spielreife – und ich...fang’ erst garnicht an: Denn immerhin habe ich ein ganzes Tarock gezeichnet.
Werner Hölzls «Salzburger Jubiläums-Tarock»
Über die Entstehung dieses Spielkartensets
Im Jänner 2016 genügte ein kleiner Anstoß, um mich in ein mir bis dahin unbekanntes Gewässer zu wagen: Das weite Meer des Tarock. Als Nichtkartenspieler vorerst nur bis zu den Waden – um mich letztlich in eine unabsehbare Arbeitsflut zu stürzen...Dieser Stups kam von einem mir vorerst unbekannten Tarockspieler, Herrn Frank Nauhauser, der mich motivierte vorerst einige Trumpfkarten zu entwerfen, mit einem "Salzburger Hanswurst" als Sküs. Doch mit seiner geradezu überschwänglichen Freude über meine ersten Vorlagen sprang der Funke der Begeisterung auch auf mich über.
Von der Inspiration zur Wirklichkeit
Dadurch angefeuert erstellte ich ein Konzept und die ausführlichen Recherchen zu den von mir vorgesehenen Motiven, und ich machte mich mit Feuereifer an die Entwürfe und Ausarbeitung der Illustrationen zu sämtlichen 54 Karten, die ich in 18 Wochen – in etwa 1000 Stunden – bewältigen konnte. Dies letztlich unter hohem Zeitdruck, nachdem Anfang Mai der mit dem Leiter des ‹Keltenmuseum Hallein›, Herrn Florian Knopp, vereinbarte Präsentationstermin am 30. Juli festgelegt wurde und die traditionsreiche 'Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne' (gegründet: 1824) sechs bis acht Wochen Lieferzeit vorgab.Herr Nauhauser stellte mir eine Fülle von Unterlagen zur Verfügung, diverse Kataloge sowie Motivbeispiele von Salzburger Kartenmachern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie etwa Joseph Rauchmiller, Joseph Traunwieser und Ignatz Preisinger.
Einiges war mir durch die langjährige Zusammenarbeit mit Prof. Günther Bauer bekannt geworden, durch seine umfangreiche, 1991 begonnene Publikationsreihe «Homo ludens – der spielende Mensch».
Und da war noch das 1983 erschienene Buch der Journalistin Elisabeth Mayer: «Das Salzburger Tarock» – allein schon durch die aufwändige Buchbindearbeit mit drei Fächern in der rückwärtigen Buchdecke, in denen faksimilierte Drucke des «Ansichten-Tarock» des Salzburger Kartenmachers Ignatz Preisinger stecken – eine bibliophile Kostbarkeit.
Aus der Historie in die Gegenwart
Die im ‹Salzburg Museum› bewahrten Originalkarten des «Ansichten-Tarock» von Ignatz Preisinger (entstanden um 1840) zeigen jeweils zwei halbseitige Bilder von Bauten, Veduten und Landschaften aus Salzburg, Berchtesgaden und dem Salzkammergut. – Gerade diese reizvollen Beispiele dieser Darstellungskunst weckten in mir den Wunsch, mich der Tradition der Kartenmacher anzuschließen...und damit war ich mittendrin in der Ausarbeitung eines Projekts, das eine unmittelbare Verbindung zum Jubiläum ‹1816–2016: 200 Jahre Salzburg bei Österreich› schafft:Ich zeichnete für die "Skatindel" (die Zahlenkarten) 16 Ansichten von Ortschaften und Bauwerken, wie sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgesehen haben mögen.
Dazu montierte ich die Kartenfarben ♥ Herz, ♦ Karo sowie ♠ Pique und ♣ Treff in der jeweiligen Anzahl des Kartenwertes. Bei den roten Farben (Karten: 1 bis 4) sind die Werte so zwar leicht auf einen Blick zu erkennen. Aber wegen der weniger schnell erfassbaren Werte der schwarzen Farben (Karten: 7 bis 10) setzte ich schließlich zur besseren Unterscheidbarkeit auf sämtliche Skatindel zusätzlich arabische Ziffern...
Mit den jeweils vier Buben, "Cavall", Damen und Königen entstand weiters ein illustrierter Streifzug mit 16 Persönlichkeiten bzw. Figuren in direktem Bezug zur Geschichte des vormaligen Erzstifts Salzburg von 1816 bis 1849: Auf dem Weg vom Herzogtum im bayerischen Salzachkreis bis zur Erhebung zum eigenständigen Kronland im österreichischen Kaiserreich.
Für die Reihe der "Tarock" (der Trumpfkarten) zeichnete ich 21 Szenen aus der Salzburger Volkskultur mit ihrer bunten Vielfalt und Lebenskraft – gekrönt vom allseits beliebten Lungauer Sauschneider und Possenreißer „Hanswurst” als "Sküs".
Mit der Tradition in die Moderne
...Selbst die Kritik des von Kindheit an passionierten Tarockspielers Prälat Johannes Neuhardt konnte mich nicht von meinem eingeschlagenen Weg und der ihm kontrovers erscheinenden Einsetzung arabischer Ziffern auf den Skatindeln (neben der üblichen Abbildung römischer Ziffern auf den Trumpfkarten) abbringen.Seinen größten Einwand – meine ungeteilten, ganzseitigen Darstellungen erfordern ein den Spielablauf störendes Umordnen, die Karten seien daher unspielbar – konnte ich kurz danach durch den Rat einer Tarockspielerin entkräften: Sie schlug vor, die Rückseite solcherart zu gestalten, dass die ausgeteilten Karten beim Aufnehmen gleich richtig erfasst werden können – was ich durch die Einsetzung des Markenzeichens löste.
Zwar tauchten um 1780 erstmals halbseitig gespiegelte Doppelfiguren-Kartenbilder auf. – Doch wurden noch bis zum Jahr 1840 Karten mit ganzseitig gestalteten Motiven hergestellt, die mich in ihrer beinahe plakativ anmutenden Erscheinungsweise besonders faszinierten. Und nachdem mein Themenkonzept ohnehin auf jene Ära bis 1849 ausgerichtet war, wollte ich dieser Anordnung auch treu bleiben.
Die Bezeichnung – und immerhin drei Fünftel der Bedeutung
Aber den Vorschlag des Herrn Prälaten, diese Kartenreihe als «Salzburger Jubiläums-Tarock» zu bezeichnen, nahm ich überaus freudvoll an...Und aus seiner These zu den fünf Säulen der weltweiten Bedeutung Salzburgs – die ‹Salzburger Festspiele›, Wolfgang Amadeus Mozart, der Physiker und Mathematiker Christian Doppler, das Lied «Stille Nacht, heilige Nacht» und, so man will, «The Sound of Music» – habe ich immerhin gleich drei Punkte erfüllt...
– Hier können Sie dazu weiterlesen: Erklärungen der Kartenmotive...
Mit diesem persönlichen Beitrag zum Salzburg-Jubiläum im Jahr 2016 hoffe ich, dass nicht nur Liebhaber/innen des Tarock ihre Freude an diesen eigens gestalteten Karten haben. Denn immerhin hält man damit – weit über das Jubiläumsjahr hinaus – einen kleinen Bilderschatz zur Geschichte und Volkskultur der Stadt und des Landes in Händen. Und das in der Größe eines Spielkartensets. Kompakter geht Geschichte wohl nicht!
Euer Kartenzeichner – Werner Hölzl